Meine lieben Mitmenschen,

heute schütte ich der deutschen Sprache wiederwillig nicht mein Herz, sondern meinen Kopf aus. Es schwirren Gedanken umher, die dringend an die frische Luft (an dieser Stelle spreche ich eher von meiner Person, die seit gefühlten Wochen der Stubenhockerei verfallen ist und unmögliche Tiefen-Rekordwerte von nur 385 Schritten am Tag erreicht!!!😱) oder eben als Beitrag verfasst werden müssen.

Ich will es nicht hinauszögern: Gestern führte eine simple, aber dennoch für mich wirkungsvolle WhatsApp Unterhaltung mit einer meinen besten Freundinnen zu einer wertvollen Erkenntnis, die ich so ohne weiteres bis heute nicht auf dem Schirm hatte. Dem ein oder anderen mag es genauso ergangen sein wie mir, dass mit dem Start des Studiums nicht nur ein Ortswechsel, sondern auch eine Art Austausch des Freundeskreises verbunden war. Natürlich geht es hier nicht direkt um einen Austausch, ihr versteht schon. Vielmehr um ein abwechselndes „in zwei verschiedenen Welten leben“. Diese laufen parallel ab, finden allerdings aus der subjektiven Perspektive nacheinander statt, je nach dem wo man sich aktuell aufhält. Aufgrund dieser Tatsache, welche nun keine großartige neue, wissenschaftlich fundierte Feststellung meinerseits ist (Applaus👏), bekommt jeder nur das lebhaft mit, wo er oder sie mental und körperlich anwesend ist. Im Klartext heißt das: Man verpasst immer etwas. Es gibt keine Chance, über alles und jeden zeitnah Bescheid zu wissen. Never. Zumindest bis jetzt nicht.

Ich fahre beispielsweise gut drei bis viermal im Jahr von Sachsen-Anhalt in meine Heimat nach Stuttgart. Dadurch lasse ich mir immer wieder vor Augen führen, dass ich mir im Endeffekt zwei Soziale Räume mit jeweils einem Netzwerk an Freunden und Bekannten aufgebaut habe. Ich führe so gesehen ein unmittelbares Doppelleben, wobei der Unterschied zur trügerischen Variante darin liegt, dass beide Seiten von der jeweiligen Existenz des anderen wissen. Hört sich wahnsinnig schräg an, ist aber so. Bei dem Ganzen gibt es jedoch ein Problem: Wie bekomme ich es geregelt, alle Informationen möglichst gleichzeitig zu beschaffen und dazu noch zu verinnerlichen? Ich meine, wie soll das funktionieren? Wie?

Machen wir uns nichts vor, wir kennen alle dieses Gefühl. Lange ist tote Hose im Dorf, aber ist man doch mal spontan für ein paar Tage weg, explodiert eine Ereignisbombe von unbeschreiblichen Ausmaß. Schlimmer wird es, je größer die Zeitspanne deiner Abwesenheit ist. Wie gesagt, ich komme rund vier Mal im Jahr nach Hause und das meistens nur für kurze Zeit. Mein gedanklicher Terminkalender ist dann ziemlich eng getaktet, ich will ja schließlich so gut wie möglich alle wichtigen Freunde wiedersehen. Dann aber jegliche Informationen in einem Treffen wieder aufzuholen (und zu merken – holla die Waldfee daran scheitere ich gern sehr oft), bleibt ein unerreichbares Ziel.

Gut, kommen wir zu dem Punkt bzw. zu der Frage, die ihr euch eventuell beim Lesen schon gestellt habt: Wo liegt eigentlich die Schwierigkeit, wenn wir doch im Jahr 2018 mit Social Media und Handys leben? Ehrlich gesagt bin ich auch an dieser Frage hängen geblieben. Da ist dieses merkwürdige Phänomen, dass sobald die Kilometer meine Freunde und mich wieder trennen, wir uns selten dazu aufraffen können uns zwischendurch mal eine Nachricht zu schicken. Dabei kommt es zu drastischen Informationsverzögerungen. Das führt durchaus zu Situationen, die in der Regel etwas peinlich enden können😅.

Lasst es mich an einem Beispiel festmachen:

Im Mai erfährst du, dass eine Freundin in einer frischen Beziehung ist. Du freust dich und ihr tauscht alle Neuigkeiten aus. Vier Monate später kommst du zurück (ohne Kontakt nach dem letzten Treffen) und fragst: „Hey ich habe deinen Freund noch gar nicht kennengelernt, wollen wir mal gemeinsam ins Kino oder in die Stadt?“ – „Oh, du weißt es noch nicht? Wir sind nicht mehr zusammen…“ Boom: Unangenehm.

Wäre regelmäßiger Kontakt da, wäre sowas vermeidbar gewesen.

Aber woran liegt es, dass wir uns weniger schreiben? Eine Antwort ist definitiv der Grund Uni, Ausbildung oder Arbeit. Ja, wir sind alle sehr, sehr beschäftigt und finden kaum noch Zeit für das erwartete Highlife Studentenleben. Wobei mal so auf Instagram oder Snapchat vorbeispicken, dafür sind paar Minütchen drin. In einem Schwung die Stories durchgerast und zum wiederholten Mal festgestellt: Alle leben noch, es geht ihnen gut (oder meistens besser; wieso könnt ihr so oft in den Urlaub fahren?!). Wir wiegen uns also in Sicherheit und sehen überhaupt keinen Grund, den Freund oder die Freundin dann und wann mal anzuschreiben. Falsch, Leute, falsch. Social Media kann so dermaßen trügerisch sein, es wird mir zunehmend bewusster. Niemand postet „Mein Freund hat Schluss gemacht“ oder „Mein Hase Pipimaus ist tot“. Wir wissen insgeheim, wie einseitig diese virtuelle Welt sein kann. Es ist doch echt fatal, dass die Kommunikationsindustrie mit den besten und neusten Multi-Funktionen wirbt, wir sie aber reduzierter anwenden. Ich frage mich zum Beispiel, wieso wir das Handy weniger zum Telefonieren nutzen, wofür es doch ursprünglich entwickelt wurde? Über Nachrichten versuchen wir uns doch nur kurz zu fassen. Ein Anruf dagegen kostet mit gutem Tarif so gut wie nichts! Keinen Aufwand, keine Mühe. Außerdem spart es Zeit für’s ewige Formulieren oder Neu-Aufnehmen von Sprachnachrichten. Ich dulde keine Ausreden alla „wenn ich Zeit habe, hat der andere oft keine Zeit“. Meine Lieben, seid spontan und ruft einfach an wann es euch lieb ist. Es gibt tatsächlich die Option des Rückrufs. Den Flugmodus hat sowieso jeder an, stören könnt ihr also nicht😉.

Von diesem Appell schließe ich mich selbstverständlich nicht aus. Ich bin selbst einer dieser Halunken, die sich selten meldet, obwohl ich eigentlich genau das Gegenteil will. Wir müssen auf unsere Fern-Freundschaften mehr achten, sie pflegen und uns Zeit für sie nehmen, anstatt uns eine Scheinsituation von Instagram vorgaukeln zu lassen. Dann lieber zehn Minuten am Abend aufbringen für ein kleines Up-Date. Egal ob wöchentlich oder einmal im Monat. Ja ja, ich habe gut reden. Was ihr letztendlich für euch aus diesem Beitrag zieht, bleibt euch überlassen. Ich für meinen Teil werde jedenfalls den Versuch anstellen, mich des Öfteren zu melden. Habt noch ein schönes Wochenende ihr tollen Menschen!

Eure Carolin