letzte Woche Freitag (19.08.2016) hieß es für knapp die Hälfte der Kinder des Waisenhauses „ab zur Zahnarztkontrolle!“. Mir und den anderen Praktikanten war es freigestellt, ob wir die Gruppe begleiten. Trotzdem entschieden wir uns alle dafür, mitzukommen. Hätten wir nur vorher geahnt, dass die Fahrt statt gedachten zehn Minuten mehr als eine Stunde dauert, wären wir höchstwahrscheinlich doch lieber im Haus geblieben.

Wir waren mit dem Schulbus unterwegs, den man sich von der Größe her wie einen normalen VW-Bus vorstellen kann. Allerdings würde man ihn in Deutschland wohl eher auf dem Schrottplatz vorfinden, als im wahren Straßenverkehr. Eine deutsche Zulassung hätte dieser Bus zumindest in 100 Jahren nicht erhalten (die Chance, dass generell irgendein Fahrzeug in Nepal eine bekäme, liegt nahe bei 0%). Ich kann euch sagen, eine Busfahrt in Nepal ist ein Abenteuer für sich, und wie! Es ruckelt und schaukelt, man schleudert von links nach rechts, das Atmen fällt schwer (bei offenem Fenster ganz schwierig, Staubgefahr!) und vom Ausmaß der Schweißproduktion möchte ich erst gar nicht anfangen.

Bis wir beim Arzt ankamen, mussten wir noch zu Fuß ein Stück durch eine ländliche Gegend laufen, deren friedliche Atmosphäre für uns alle als eine Art Ausgleich nach dieser actionreichen Anreise diente.

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während der Busfahrt
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Landweg

Bis zur Registrierung der Kinder dauerte es dann noch eine Weile. Zur Zeitüberbrückung spielten die Kleinen auf dem Spielplatz der Anlage des Krankenhauses „Sushma Koirala Memorial Hospital“, aßen zwischendurch paar zur Verfügung gestellte Snacks (Cola und Chips beim Zahnarzt sieht man ja auch nicht alle Tage!) oder ließen sich von mir begeistert fotografieren.

Während jedes Kind später nach und nach zur Behandlung geschickt wurde, trafen wir auf eine deutsche Ärztin, die als Gynäkologin freiwillig für die nächsten zwei Wochen in diesem Krankenhaus arbeitet und zuvor im Januar schon mal angereist war. Sie erzählte uns, dass das gesamte Hospital von Deutschen gegründet und über deutsche Spenden finanziert wurde bzw. wird. Es ist spezialisiert auf Verbrennungsopfer und beschäftigt vorwiegend Ärzte der plastischen Chirurgie. Jedes Jahr reisen immer wieder Teams an deutschen Ärzten an, um den nepalesischen Kollegen in schwierigen Fällen zu helfen oder sie in ihrer praktischen Arbeit weiter auszubilden.

Auch die Geräte werden extra aus Deutschland exportiert, was sich aufgrund der Bürokratie Indiens und Nepals nicht selten als schwierig, wenn nicht sogar als fast unmöglich erweist, aber wie heißt es doch so schön: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Rückblickend fand ich das Gespräch auf jeden Fall super aufschlussreich und gab mir einen weiteren Einblick in die deutsch-nepalesische Beziehung und machte die Unterschiede beider Kulturen nochmal deutlich.

Leider zog sich der Zahnarztbesuch bis in den Nachmittag, sodass die Kleinen nach 13 Uhr nicht mehr zur Schule mussten. Für uns Volunteers war damit unsere freie Zeit am Freitag gestrichen. Während des ganzen Spektakels flossen natürlich sogar einige Tränen. Meistens aus Angst vor der Behandlung oder im Nachhinein vor Schmerzen. Manche der Kinder hatten aber auch Glück und durften das Ärztezimmer direkt nach der Kontrolle wieder verlassen.

Gesund und halbwegs munter traten wir später den Heimweg an. Auf der Rückfahrt wurde der Großteil der Gruppe dann von Müdigkeit überholt. Ich muss immer noch schmunzeln, wenn ich daran denke, wie tief und fest die Kinder einfach geschlafen haben, obwohl der Bus über gefühlte fünfhundert Schlaglöcher raste. Selbst Bijesh, der auf meinem Schoß ständig hin und her rutschte, war überhaupt nicht wach zu rütteln. Jedenfalls freute ich mich unglaublich auf die kalte Dusche und mein Bett. Nächste Woche ist dann der Rest des Hauses an der Reihe und geht zum Zahnarzt. Ein zweites Mal müssen wir Praktikanten aber (ich sag mal Gott sei Dank) nicht unbedingt mit.

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(v.l.n.r) Namrata, Caro und Anna-Marlen
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Bikash nach der Behandlung
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(v.l.n.r.) Bishal und Anton